Anreise
Ich beginne chronologisch mit dem Start am Donnerstag. Wie geplant bin ich am Donnerstagnachmittag losgefahren und habe mir gedacht, alles ist gut, vor Sonnenuntergang kann ich ja noch eine Runde joggen gehen und mein gewohntes Programm bis zum Renntag abspulen. Aber es wäre nicht ein Cyrill-Trip, wenn es nicht doch anders gekommen wäre. In Baden angekommen, wo ich mich mit meiner Mama traf und wir gemeinsam die Reise fortsetzten, besuchte ich ganz kurz die Badenfahrt. Dazu muss ich sagen, wenn man mal an einem doch sehenswerten Fest teilnehmen möchte, ist das sicherlich zu empfehlen. Ich war nur kurz da und wollte mir vor der langen Reise noch einen Espresso schnappen. Allerdings hatte ich mein Portemonnaie im Bus vergessen, also kein Bargeld in der Tasche und mit Twint konnte ich nicht zahlen. Die Person hinter dem Tresen wollte mir den Kaffee nicht umsonst reichen und hatte ihn dann grad selber getrunken und ich ging diesbezüglich leer aus. Tja, die neueste Zahltechnik ist an der Badenfahrt noch nicht angekommen.
Auf der Weiterfahrt geschah nicht viel Interessantes, ausser dass wir einmal mehr ohne Futter los gereist sind. Aber das war nicht so schlimm, Schokolade und eine grosse Tüte M&Ms hielten uns auf der langen Fahrt wach. Obwohl wir mit unserem VW-Büsli durchaus irgendwo kurz hätten schlafen können, entschieden wir uns den ganzen Weg hinter uns zu legen. Baden - Menen sind doch noch 650 km, was so ungefähr 6.5 Stunden Autofahrt hiess. Jenu die Schoggi und die M&M waren sowieso grad das perfekte Carboloading für mich. Der hohe Blutzuckerspiegel sowie die coole Roadtrip-Playlist hielten mich wach. Ich kann diese Playlist nur empfehlen, es macht Spass im Auto um 1 Uhr in der Nacht laut «Sweet Home Alabama» zu singen.
Als wir um 2 Uhr nachts endlich in Menen ankamen, war der Nebel vor Ort so dicht, dass wir kaum die Einfahrt zum Parkplatz, der als Campingplatz diente, fanden. Einmal drin, stellten wir das Auto einfach irgendwo ab, wo es uns für den ersten Moment gut dünkte. Am nächsten Morgen stellten wir fest, dass unsere nächtliche Entscheidung eine gute war und konnten uns in unserer provisorischen Bleibe einrichten.
Willkommen in Belgien
Nach dem Ausschlafen und dem Frühstück erkundete ich die Gegend. Unter anderem joggte ich zur Wechselzone. Menen muss man nicht unbedingt gesehen haben. Es gibt bestimmt schönere Orte für die bekannten Fritten und für die belgische Schokolade. Ich hatte nicht mal Zeit, die belgische Schokolade zu probieren und bin deshalb nach wie vor der Meinung, dass wir Schweizer dies am besten machen.
Am Nachmittag wollte ich noch die Radstrecke besichtigen. Die Strecke um und in der Stadt war sehr kurvig - es war mir wichtig zu sehen, was auf mich zukommt. Alexander Schawalder (Schawi) – ebenfalls Triathlet und auch aus dem Radsport Frei Team - begleitete mich bei der Besichtigung der Radstrecke. Leider fing es bald an zu regnen, sodass wir wieder umkehrten. Wir wollten vor dem Wettkampf definitiv kein schmutziges Fahrrad. So sassen wir drei Stunden im Trockenen unter dem Vordach und assen Nudeln mit Tomatensauce. Als wir uns dann endlich wieder auf die Radstrecke wagten, fing es erneut an zu regnen. Da kehrten wir halt wieder um – ein paar Kurven konnten wir abradeln – das musste genügen.
Die Abende vor einem Rennen sind bei mir immer sehr ruhig und manchmal auch langweilig. Dies obschon ich weiss, dass ein Rennen bevorsteht, auf welches ich mich freue.
Am Tag vor dem Rennen schlafe ich noch einmal so lange wie möglich aus und schaue mir alles in Ruhe an. Nach dem Frühstück freute ich mich auf das Schwimmen im Kanal, in dem auch das Schwimmen des Wettkampfes stattfindet. Das Feeling war super, am Rande standen schon viele Leute und schauten diesem Einschwimmen zu. Das hatte mich so richtig gepackt. Das Einzige, was ich zu meinem Trainer Fabian gesagt habe, war: "Das Wasser, in dem wir schwimmen, sieht nicht so toll aus. Aber ich bin noch gesund, also glaube ich, dass es wenigstens sauber ist." Nachdem ich meine Startunterlagen abgeholt hatte, absolvierte ich meine Vorbelastung auf dem Rad. Wegen des schlechten Wetters habe ich das aber auf der Rolle gemacht. Ich hoffte, dass sich das Wetter für das Bike-Check-in am Abend bessert. Im Nachhinein war der Regen sogar ganz gut, denn so konnte ich mich noch einmal hinsetzen und etwas essen, bevor ich auf die Rolle stieg. Die Zeit am Tag vor dem Rennen vergeht immer sehr schnell und die Schwierigkeit für mich ist es, einen kühlen Kopf zu bewahren, damit die Nervosität nicht zu früh kommt und die Anspannung nicht zu gross wird. Ich möchte immer genug Ruhe haben, um wirklich frisch an den Start gehen zu können. Nach dem Check-in meines Bikes joggte ich die ganze Strecke zurück zu unserem VW-Büsli auf dem besagten Parkplatz. Dann hiess es nur noch: "Warten auf morgen und gespannt sein, was kommt.»
Der Renntag
Der Wettkampf begann erst um 12.15 Uhr, was ich eigentlich sehr gut fand. In dieser Saison bin ich ziemlich gut darin, die Dinge ruhig anzugehen und zu versuchen, einen klaren Kopf zu behalten. Aber das war in Menen nicht einfach. Ich wusste, dass eine Meisterschaft vor der Tür steht. So viel zum kühlen Kopf, denn in der Wechselzone bemerkte ich, dass ich meinen Pulsgurt im VW-Büsli vergessen hatte. Aber das liess mich kalt, denn ich wusste aus den vielen Trainingsstunden, wie es sich anfühlen musste. Dennoch gibt es Momente im Rennen, da pace ich mich bewusst über den idealen Puls hinaus.
Über das Rennen selber könnt ihr im Bericht auf www.gwüsst.ch lesen.
Die besten Storys kommen jeweils nach dem Zieleinlauf: perfektes Timing vom Essen, was ist zu tun nach einer solch hohen Belastung etc. Ich wüsste genau, wie man es tun sollte, jedoch kommt es an solchen Tagen meist anders. Also erzähle ich euch wie es mir ging: Im Ziel habe ich gefühlte zwei Liter Cola in mich hineingeschüttet, um wieder etwas Boden unter den Füssen zu bekommen. Das ging ganz gut. Dann beschloss ich, auf dem Campingplatz zu duschen und mich für die Siegerehrung frisch zu machen. Dabei dachte ich, ich könnte noch etwas Richtiges essen. Aber das wäre ja nicht Cyrill-like, wenn man da alles so getaktet machen würde. Ich sass erst mal ewig auf einem Stuhl und genoss die Stille. Dann bin ich duschen gegangen und musste feststellen: oha, da ist nicht mehr viel Zeit, um was zu essen. Für eine Kleinigkeit hat es noch gereicht, aber der Hunger war nicht wirklich gestillt, wen wunderts, nach dieser enormen Belastung. 😊
Erst jetzt, mit all den Bildern wird mir bewusst, was am Sonntagnachmittag wirklich passiert ist. Ich spreche von der Siegerehrung. Denn es geht alles so schnell, man steht auf dem Siegerpodest, macht ein paar Fotos und dann hat man das Edelmetall um den Hals. Für mich ist das so surreal, dass ich da oben stehen durfte. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich mit nach Hause nehmen konnte. Für mich war der Wettkampf wie eine belgische Meisterschaft mit einem Schweizer als Partycrasher. Rund um mich waren Belgier auf dem Podest.
So verging der schönste Moment und ich sass wieder vor dem VW-Büsli, um endlich etwas zu essen. Aber wie sollte es auch anders sein, das Gas war alle und die Nudeln hatten ewig. Nach 22 Uhr kam dann auch bei uns noch was Leckeres auf dem Tisch.
Die letzte Frage von meiner Mum war nur: «Sind Nachmittagsstarts wirklich so cool, Cyrill?»
See you out there,
Cyrill Knechtle
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