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Was ist eigentlich hier los?

Muss man nach jeder längeren Abwesenheit einen Text mit einer epischen Phrase beginnen? Zurück als wäre ich nie weg gewesen oder so. Ich war auch nicht weg, ich habe mir nur nie die Zeit genommen, etwas zu schreiben oder sonst etwas zu tun. Das ist schade, weil ich seit St. Pölten so viel erlebt habe.  Das, was ich mir am Anfang der Saison vorgenommen habe, habe ich auch bekommen. Aber nicht in einer normalen Dosis, sondern irgendwie alles auf einmal. Ich muss auch sagen, dass ich sehr viel gelernt habe, immer wieder Lehrgeld bezahlt habe und kurz vor Schluss noch einmal vor Augen geführt bekommen habe, dass man im Leben immer wieder alle Schutzengel dieser Erde braucht. Dafür bin ich verdammt dankbar, denn so eine Erfahrung hätte auch anders ausgehen können. Wovon ich spreche. In der letzten Saison wurde ich bei einem Rennen von einem offiziellen Motorrad des Veranstalters abgeschossen. Passiert ist, wie gesagt, nichts und das, obwohl ich mit knapp 60 km/h vom Pferd geholt wurde. Es gibt angenehmere Arten vom Rennrad zu steigen. Da die Geschichte noch nicht zu Ende ist, kann und will ich noch nicht alles erzählen. Vielleicht schreibe ich irgendwann mal alles auf, dann kann sich mancher vielleicht viele Nerven und Energie sparen, wenn man mit Spaniern über Schäden diskutiert. Ich weiss, ich sollte dankbar sein, dass mir nicht noch mehr passiert ist. Aber nichts hasse ich mehr, als wenn nicht alle gleich FAIR behandelt werden, es sei denn, man gehört zu den TOP 20 der Welt.


Saison 2024

Wenn ich jetzt erzählen würde, wo ich überall gewesen bin und was ich alles erlebt habe, dann müsste ich einen Podcast machen, ich glaube auch solche Recaps gibt es mehr als genug da draussen und jeder erzählt dir das Gleiche, wie schön es überall ist. Dass man überall schöne Orte entdecken kann. Aber oft sieht man die schönen Orte gar nicht, weil man ganz andere Dinge zu tun hat, als Kirchen, Städte oder Cafés zu besuchen. Viele denken auch, dass dies das Leben als Spitzensportler ist.


Die Realität im Trainingsalltag sieht auch immer wieder anders aus als am Arbeitsplatz. Man erledigt nicht jede Aufgabe selbst oder es gibt Meetings, an welchen man teilnehmen muss, obwohl man keine Zeit oder einfach keine Lust hat. Bei mir ist es auch so, dass man nicht jeden Tag in der Stimmung ist, an die dunklen Orte zu gehen. Damit meine ich, immer wieder hart zu trainieren, wenn man wirklich müde ist, dann wenn man eigentlich nach Hause will. Herauszufinden, wo diese Linie ist zwischen jetzt Pause oder doch noch mal drücken, das ist ein schmaler Grat und manchmal treffe ich die Linie und manchmal ist es auch zu viel. Aber das lernt man schnell – leider erst im Nachhinein. Aber was ich euch sagen will, ist: Was macht man eigentlich? Wie fühlt man sich dabei? Was fühlt man wirklich, wenn man sich mit den Besten im Sport misst?


Wie immer, wenn man sich im Sport solchen Emotionen aussetzt, erlebt man alles: An manchen Tagen fühlt man sich wie Tarzan. An anderen Tagen sagt man sich, das war's, ab morgen mache ich einfach was Normales. Wo man eine klare Struktur hat und jeden Tag weiss, was die Aufgabe ist und was ich arbeiten soll. Ich weiss auch, was meine Aufgabe ist und was die Anforderungen sind, aber der Gedanke, ich muss das noch machen. Oder bin ich gut genug, um überhaupt da zu sein? An guten Tagen macht man sich keine Gedanken, man ist voll im Rennen oder Training, an anderen Tagen fährt man ein Rennen/Training gegen sich selbst. Der einzige Gedanke, den ich habe, ist: Heute ins Bett zu gehen, wäre die einfachere Lösung. Ich schreibe das, weil ich so privilegiert bin, ich könnte auch einfach aufhören. Aber ich habe mich nicht entschieden Profi zu werden, um den einfachen Weg zu gehen. Du musst wissen, im Alltag interessiert es keinen, ob du bist mal 10 Minuten nicht bei der Sache oder ob du mal 5 Minuten länger Pause machst. Zögere ich an einer Stelle 3 Sekunden, kann die Radgruppe weg sein oder ich bin bei guten Schwimmern nicht an den Füssen. Ich sage mir dann wieder, ich habe selbst entschieden hat, das zu tun, was ich tue, und ich könnte mir jederzeit einfach sagen, das war's, ich bin raus. Aber auch nach dem Sturz in Malle muss ich heute sagen: Ich habe Bock auf das, was kommt und ich will es besser machen. Denn die guten Tage geben einem so viel mehr als die anderen. Das Gefühl frei zu sein, das ist schön.


Die Tage vor dem Rennen sind voller Spannung, Vorfreude und Konzentration auf das, was kommt. Man schaut sich die Strecken an, hört in sich hinein, wie man sich fühlt. Egal, wie man sich fühlt, man redet sich positive Gedanken ein, damit der Kopf immer glaubt, dass man wirklich bereit ist für die Aufgabe, die vor einem liegt.


Die Zweifel

Es gibt sie alle, und der beste Weg, sie zu überwinden, ist, positive Erfahrungen zu machen. Gespräche mit Menschen, die einem nahestehen, die wirklich wissen, wie es einem geht. Menschen, die einfach an einen glauben.


Diese Gespräche habe ich in diesem Jahr immer wieder geführt und zusammen mit meinem Umfeld bin ich immer wieder aus diesem negativen Denken herausgekommen. Es passierte, als das Rennen in Norwegen an der Startlinie abgebrochen wurde. Ich weiss nicht, woran es lag, aber für mich hat es von Anfang an nicht gepasst, weil ich einfach nicht in Rennlaune gekommen bin, obwohl ich sehr fit war und die Strecke mir sehr gut hätte liegen können. Vielleicht lag es auch daran, dass von der Organisation her alles so chaotisch war. Wir hatten aber eine schöne Zeit und das Land ist bei Sonnenschein wirklich schön 😉. Wenn es regnet, wird es einfach zu schnell kalt und es fühlt sich immer wie Herbst an. Im Nachhinein denke ich, dass es interessant gewesen wäre, über ein Gerüst in die Wechselzone zu kommen.


Gerüst in die Wechselzone von Challenge Sandefjord
Gerüst in die Wechselzone von Challenge Sandefjord

Sanremo

In Italien hatte ich einen wirklich schwarzen Tag, was die Leistung betrifft. Hätte ich am höchsten Punkt der Radstrecke einen Supporter an der Strecke gehabt, hätte ich angehalten. Ich war so am Ende mit mir. Bei der Abfahrt vom Pass war mein einziger Gedanke, jetzt einfach keinen Scheiss machen, das könnte böse enden. Auf den Strassen runterzufahren und immer wieder Leute zu sehen, die im Strassengraben liegen, hat mich nicht wirklich motiviert nach in Sanremo zu fahren. Auch wenn wir am Ende noch den Poggio, die Schlussabfahrt des berühmten Klassikers Mailand - Sanremo fahren durften. Das Positive an diesem Tag und was mir bleibt, sind die Worte, die Michi abends beim Bier zu mir gesagt hat und die ich auch nicht vergessen werde. Das hat meine Gedanken und auch meinen Kopf wieder auf den richtigen Weg gebracht. Was so ein Feierabendbier - oder zwei, drei - alles verändern kann.


Laufstrecke von Challenge Sanremo
Laufstrecke von Challenge Sanremo


Mallorca

Vor meinem Rennen auf Malle durfte ich 10 legendäre Tage mit Marcial, dem Jugendtrainer des Schwimmclubs St. Gallen-Wittenbach verbringen. In den Nächten davor konnte ich aber überhaupt nicht schlafen und dachte manchmal, was ist los. Ich wollte alles absagen, aber meine Mama hat mich zum Flughafen geprügelt und dort abgesetzt 😉. Es war eine Zeit in der Saison, in der ich einfach müde war. Obwohl ich mich sehr gefreut habe, dass ich die Möglichkeit hatte, jungen Leuten für ein paar Tage zu zeigen, was es heisst, zu trainieren, zu essen und zu schlafen. Also das absolute Profileben und zu sehen, dass die Kids das einfach rocken und ich an einem Ort war, wo ich einfach was machen konnte, wo ich so viel Spass hatte. Und eine richtig geile Trainingsgruppe zu sehen, wie die am Horn ziehen. Nebenbei habe ich mich noch selbst bewegt und auf das Rennen vorbereitet. Als ich dann vom Süden der Insel nach Paguera gezogen bin, war ich auch wieder richtig bereit für den Wettkampf und hab mich auch gefreut, dass ich da war und das alles erleben durfte. Beim Schwimmen war ich bis kurz vor Schluss in der grossen Gruppe und dachte, jetzt geht es wieder aufwärts. Aber auf dem Rad war das Gegenteil der Fall. Ich hatte einen Puls von fast 190 Schlägen pro Minute. Aber die Leistung auf dem Rad war unterirdisch. Also das passte nicht so richtig zusammen. Ich konnte nicht wirklich viel Leistung bringen. Also bin ich den Berg hochgefahren und oben am Berg habe ich gesagt, okay, ich fahre die Runde zu Ende und höre auf. Das mache ich nicht mehr, ich war wieder so fertig. Ich spreche von der Psyche im Rennen. Aber dann in der Abfahrt hatte das Leben eine andere Meinung. Ein offizieller Motorradfahrer sich das Motorrad in mich hineingedreht. Was ich noch weiss, ist der laute Knall und wie ich wieder aufgestanden bin, dazwischen habe ich vergessen, was passiert ist, zum Glück.


Vorzeigen von Technikübung vom Schwimmtrainer
Vorzeigen von Technikübung vom Schwimmtrainer


Die Wochen danach

Jetzt, fünf Wochen später, muss ich sagen, ja, ich bin wieder motiviert, neue Schandtaten zu erleben. Aber ich brauchte die Wochen jetzt, um wieder auf die Beine zu kommen und mal raus zu gehen. Mal raus zu gehen und die Ohren aufzumachen für andere Sachen und das habe ich gemacht.  Ich sage das jetzt so locker, aber so locker war es nicht. Wenn ich nicht meine Leute um mich gehabt hätte, wäre es nicht so einfach gewesen. Aber ich bin wieder bereit, mich zu 100 Prozent zu konzentrieren und das braucht man, um Profisport zu machen. Und ich bin sehr froh, wieder im Trainingsalltag zu sein und eben die Freiheiten zu haben, die ich als Sportler habe. Denn ich weiss, was ich tue, das kann nicht jeder erleben und ich bin bereit, genau das wieder zu erleben mit allen Höhen und Tiefen, die dazu gehören.


See you out there

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